Der Generationenkonflikt:
Nur ein Gespenst?

Der Generationenkonflikt macht gute Schlagzeilen, doch die Realität sieht anders aus: Altersdiversität funktioniert, wenn man sie richtig angeht. Studien und Praxis zeigen, dass nicht das Alter trennt, sondern Missverständnisse, Machtverhältnisse und veraltete Strukturen. Also: Haben wir uns all die Jahre auf den falschen Konflikt konzentriert?
Das Gespenst vom Generationenkonflikt
Ein Gespenst geht um – nicht nur in Unternehmen, sondern auch in Medien, Meetings und Meinungen: das Gespenst vom Generationenkonflikt.
Boomers gegen Gen Z. Millennials gegen alle. Der vermeintliche Generationenclash wird gerne erzählt – dramatisch, plakativ, klickstark. Doch was, wenn dieses Gespenst bei näherem Hinsehen gar nicht echt ist?
Wichtig: Wenn hier von „Generationenkonflikt“ gesprochen wird, geht es nicht um die reale Altersdiskriminierung – die gibt es, ohne Frage. Was infrage gestellt wird, ist das gängige Narrativ vom ständigen Gegeneinander der Generationen.
Das eigentliche Problem ist kein Generationenkonflikt
Die Ende 2024 erschienene Studie „Generationendialog statt Generationenkonflikt“ räumt jedenfalls mit dem Bild vom Generationenclash auf:
Nur 8 % der jungen Beschäftigten erleben in ihrem Unternehmen tatsächlich einen Generationenkonflikt – obwohl 71 % glauben, dass es ihn grundsätzlich gibt.
Altersvielfalt wird überwiegend als Bereicherung gesehen – von Jüngeren wie Älteren. Besonders junge Mitarbeitende wünschen sich mehr Austausch mit erfahrenen Kolleg:innen, um vom Wissen der Älteren zu profitieren.
Die wahren Spannungen entstehen nicht durch das Alter, sondern durch Rollen, Verantwortung und unklare Kommunikation.
Das zeigt sich besonders in der Karrierewahrnehmung: Während 65 % der Führungskräfte glauben, dass sie jungen Talenten gute Aufstiegschancen bieten, empfinden das nur 45 % der unter 30-Jährigen so. Doch das ist kein Generationenkonflikt – sondern eine Frage der Transparenz.
Deckt sich das auch mit anderen Ergebnissen?
Deutschlandfunk Kultur widmete sich Ende 2023 in einem Beitrag den drei hartnäckigsten Vorurteilen rund um den angeblichen Generationenkonflikt – etwa, dass die Jugend weniger leistungsbereit oder nicht mehr teamfähig sei. Der Soziologe Martin Schröder nennt den Konflikt darin klar „konstruiert“ – ein Erzählmuster ohne reale Grundlage.
McKinsey & Company stellte 2018 in der Studie „True Gen“ fest, dass sich Werte, Einstellungen und Prioritäten über alle Generationen hinweg erstaunlich stark ähneln.
Die American Management Association (AMA) betont seit Jahren, dass Kommunikationsprobleme und mangelndes Rollenverständnis weitaus häufiger zu Konflikten führen als tatsächliche Altersunterschiede.
Eine Korn Ferry-Analyse aus dem Jahr 2022 mit dem Titel „The Silent Treatment“ kommt zu dem Schluss, dass viele populäre Theorien über Generationenunterschiede wissenschaftlich nicht haltbar sind – sie beruhen meist auf vereinfachten Modellen, die sich im Alltag nicht bestätigen.
Der sogenannte Generationenkonflikt ist also häufig ein soziales, kulturelles und medial verstärktes Konstrukt – gespeist durch Stereotype, verkürzte Narrative und einen Mangel an echter Begegnung.
Wenn wir wissen, dass es sich in Wahrheit größtenteils um ein Wahrnehmungs- und Strukturproblem handelt – was können Organisationen dann konkret tun?
1. Altersdiverse Teams gezielt zusammenstellen – nach Kompetenzen, nicht nach Geburtsjahr.
2. Reverse-Mentoring einführen, bei dem Erfahrungswissen und digitale Kompetenz in beide Richtungen fließen.
3. Karrieremodelle flexibilisieren – unabhängig vom Alter, dafür stärker am individuellen Potenzial ausgerichtet.
4. Altersinklusive Weiterbildung etablieren, die auf tatsächliche Bedürfnisse eingeht, statt Altersgruppen zu bedienen.
5. Räume für echten Generationendialog schaffen, z. B. in Form von intergenerationalen Labs, Projektarbeit oder Tandem-Formaten.
Fazit
Der viel beschworene Generationenkonflikt ist in Wahrheit ein Missverständnis. Was wie ein Altersproblem wirkt, sind meist strukturelle Barrieren, Erwartungslücken und fehlender Dialog. Altersvielfalt wird längst als Bereicherung erlebt – und der Wunsch nach Austausch ist größer als die Differenzen.
Deshalb müssen Organisationen jetzt Räume schaffen, in denen echte Begegnung möglich ist: generationenübergreifend, vorurteilsfrei und auf Augenhöhe. Denn nur so kann das Potenzial aller Mitarbeitenden wirklich genutzt werden. Und auch nur so kann man das alte Gespenst vom Generationenkonflikt endgültig vertreiben.
Mit Age Bombs setze ich genau hier an: Altersstereotype hinterfragen, Denkbarrieren sprengen und Räume öffnen, in denen nicht das Alter zählt – sondern das, was jede:r mitbringt.
Hier die Links zu den genannten Studien & Artikeln:
Interview mit Martin Schröder, Professor für Soziologie, Universität des Saarlandes.
Die Studie Generationendialog statt Generationenkonflikt vom Charta der Vielfalt e.V.
True Gen von McKinsey & Company.
The Myth of Generational Differences in the Workplace von der American Management Association (AMA).
The Silent Treatment—Between Gen Zers and Boomers von Korn Ferry.